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Förderung: Seminar für junge Erwachsene mit lebensverkürzender Erkrankung

(Stand 2019)

Vom 2. bis 7. September 2019 fand in Leipzig ein Seminar der Deutschen Kinderhospizakademie für junge Erwachsene mit schweren (Mehrfach-) Behinderungen aufgrund ihrer lebensverkürzenden Erkrankung statt. Es nahmen fünf lebensverkürzend erkrankte junge Frauen und Männer teil (von denen eine auch im Leitungsteam mitwirkte), sieben ehrenamtliche Begleitungspersonen, drei Krankenpflegekräfte sowie das Leitungsteam. Drei junge Erwachsene brachten aufgrund ihres hohen Pflegebedarfs noch eine eigene Pflegekraft mit. Die Unterbringung erfolgte im Hotel „Vienna House Easy Leipzig“.

Die jungen Teilnehmer*innen haben (progrediente) Muskelerkrankungen. Alle waren aufgrund ihrer Erkrankungen auf eine 24-Stunden-Assistenz angewiesen. Zudem sind sie in ihrer Mobilität stark eingeschränkt und benötigten bei allen alltäglichen Verrichtungen Unterstützung. Durch den gewählten Betreuungsschlüssel war es allen Teilnehmenden möglich, an dem Seminar teilzunehmen.

Ziel des Seminars ist, den jungen Erwachsenen, die mehrfachbehindert und lebensverkürzend erkrankt sind, die Möglichkeit zu geben, sich mit persönlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Themen im Kontext ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen.

Die Seminarwoche in Leipzig war so aufgebaut, dass jeden Tag ein anderes Oberthema im Mittelpunkt stand, welches in Gesprächen und Exkursionen vertieft wurde und bei dem sich gute Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenswelt boten.

Das Seminar sollte den Teilnehmenden im Einzelnen die Möglichkeit bieten,

  • sich mit der eigenen Lebenssituation im Austausch mit ebenfalls Betroffenen auseinanderzusetzen,

  • sich mit den Themen Erkrankung, Behinderung und Sterben zu befassen,

  • Selbsthilfepotenziale zu stärken und zu entfalten auf der Grundlage eigener Ressourcen, sozialen gesellschaftlichen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit der eigenen Erkrankung und Behinderung nachzugehen,

  • trotz lebensverkürzender Erkrankung und behinderungsbedingter Beeinträchtigungen möglichst selbstbestimmt unterwegs sein zu können — wie andere junge Erwachsene auch,

  • in Gesprächen mit Verantwortlichen von Vereinen und Organisationen Erkenntnisse über Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens mit Behinderung zu erhalten und eigene Bedürfnisse zu formulieren,

  • Gemeinschaft und Solidarität mit anderen jungen Menschen zu erfahren, die ebenfalls lebensverkürzend erkrankt sind, und von ihren Erfahrungen zu profitieren,

  • in den Erfahrungen der Jugendkulturszene den eigenen Platz in der Kultur junger Menschen zu finden als Form der Identitätsbildung.

Die Durchführung des Seminars in einer Großstadt sollte zudem Möglichkeiten eröffnen, trotz körperlicher Beeinträchtigung weitgehend selbstbestimmt eine Stadt zu erkunden. Damit sollten die jungen Erwachsenen Mut gewinnen, auch im Alltag ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Leipzig bot viele Möglichkeiten, politische und kulturelle Rahmenbedingungen, ein Leben mit Behinderung zu hinterfragen und sich mit Themen wie Selbstbestimmung und Selbstvertretung, Leben mit Assistenz, Teilhabe und Empowerment auseinanderzusetzen. Auch die Tatsache, dass in Leipzig 2019 das Jubiläum zum Mauerfall vor 30 Jahren gefeiert wurde, ermöglichte die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen und ihrer kritischen Reflexion.

Beim Einsatz der ehrenamtlichen Begleiter*innen wurde darauf geachtet, dass diese überwiegend in der gleichen Altersstufe wie die Teilnehmenden waren. Dies sollte dazu beitragen, dass es auch zwischen Begleitern*innen und Teilnehmenden zu einem Austausch über altersspezifische Fragen kommen konnte.

Das barrierefreie Hotel „Vienna House Easy Leipzig“ erwies sich als sehr geeignet für die Bedürfnisse der Teilnehmenden und einer guten Programmdurchführung. Gerade die zentrale Lage des Hotels, die es ermöglichte zu allen Programmpunkten zu Fuß bzw. mit dem Rollstuhl fahrend zu gelangen, trug wesentlich zu einer angenehmen Atmosphäre für das Seminar bei. Die Rahmenbedingungen und Ausstattung der Zimmer und Bäder waren ausreichend barrierefrei, mussten jedoch durch einzelne Pflegebetten und andere Hilfsmittel, die bei einem Sanitätsdienst hinzu gemietet wurden, ergänzt werden. Die pflegerische Versorgung der Teilnehmenden durch das mitgereiste Pflegepersonal, bestehend aus drei Pflegekräften, war gewährleistet und konnte gut durchgeführt werden.

Für die Teilnehmenden brachte das Seminar wichtige Erfahrungen, sowohl im Gespräch miteinander und in der gegenseitigen Beratung über Möglichkeiten, den eigenen Alltag besser gestalten zu können, als auch in der Begegnung mit engagierten Menschen, erhielten sie viele neue Impulse. Dies trug auch zu einer wichtigen Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls bei.

Gerade die Möglichkeit des manchmal auch kontroversen Austauschs sowie die Begegnungen, Gespräche und Diskussionen mit Menschen, die bei interessanten Projekten mitwirken oder an für die Teilnehmenden interessanten Stellen arbeiten (wie bspw. die Mitarbeiterin der Beauftragten für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen der Universität Leipzig), wurden von allen als anregend und ermutigend empfunden. Es wurde deutlich, wie wichtig es ist, sich mit eigenen Interessen, Wünschen und Begabungen zu beschäftigen und sich dafür einzusetzen.

Alle Beteiligten äußerten sich sehr positiv zu diesem Seminar und würden das Angebot solcher Seminare gerne vermehrt nutzen.